Von Schleppern, Schmugglern, Partisanen

(Ausschnitt)

In diesem Sommer zieht eine Familie aus Deutschland ins Haus nebenan. Die Kinder sind älter als wir. Niklas und Jens sagen, ihr Vater sei hier, um den Leuten in der Papierfabrik zu zeigen, wo’s lang geht, und ihre Mutter verhökere sauteure Schiffe an Leute mit massenhaft Kohle. Sie hängen mit uns auf der Schotterbank ab und behaupten, dass sie schon überall auf der Welt waren. Wir erzählen ihnen, dass unser Großvater ein Partisan und ein Schmuggler war. Sie lachen uns aus. Das sei sowas von durch, sagen sie. In der Europäischen Union brauche man weder Partisanen noch Schmuggler. Wir reden nicht mehr mit ihnen. Am nächsten Tag läuten sie bei uns an und sagen, dass sich Flüchtlinge auf unserer Schotterbank breit gemacht hätten.

Wir wissen, dass es in Syrien einen schlimmen Krieg gibt, und dass die Leute von dort flüchten, um ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Im Herbst hat unsere Mutter Kleider herausgesucht, die uns zu klein sind, und wir mussten etwas von unseren Spielsachen hergeben. Das brachten wir dann zu den Flüchtlingen in der Tiefgarage. Sie freuten sich darüber. Wir hätten nicht wie sie auf dem Asphalt hocken wollen. Und wir finden es uncool, wenn wir die Kleider unserer Cousins auftragen müssen. Die Flüchtlinge in der Tiefgarage blieben nur kurz in Österreich, dann flüchteten sie weiter nach Deutschland.

Wir sind nicht glücklich, dass uns jemand unseren Platz am Fluss wegnimmt. Aber die Flüchtlinge werden ja nicht lange bleiben.

Aber hallo!, sagen Niklas und Jens. Ob wir auf dem Mond leben? Es gebe hier in der Nähe ein Camp, in dem die Flüchtlinge festsitzen, weil wir Ösis die Grenze zu Slowenien dicht gemacht hätten. Was gut sei, denn dann kämen diese Leute nicht nach Deutschland, wo es schon genug Asis gebe. 

Wir schleichen uns durch den Wald an die Schotterbank heran. In den Bäumen singen die Vögel, in der Ferne hört man die Autos von der Hauptstraße und je näher wir zum Fluss kommen, desto stärker riecht es nach Schlamm und Treibholz. Wir sehen sie erst, als wir schon fast am Wasser sind: Ein Mädchen, ungefähr so alt wie wir, und ein kleiner Bub.

In: Die Rampe - Hefte für Literatur 1/2019
Hg. vom Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich / StifterHaus, Linz

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